Das Wissen einer Bildungsexpertin

Warum nicht selbständig arbeiten? Psychologin Monika Finsterwald absolvierte das Gründer*innenprogramm u:start der Universität Wien und ist seitdem ihre eigene Chefin: Sie unterstützt Institutionen bei Bildungsangeboten, Evaluationen und Projekteinreichungen.

Ihr Unternehmen in zwei Sätzen…
Monika Finsterwald: Ich stelle mein Wissen als Bildungsexpertin und angewandte Forscherin Organisationen, Vereinen und Einzelunternehmer*innen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich zur Verfügung. Ich unterstütze diese bei ihren Bildungsangeboten, Evaluationen und Projekteinreichungen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen – und wann stand fest: Ich gründe eine Firma?
Finsterwald: Das war ein schleichender Prozess. Ich hatte nach meinem Studium der Psychologie selten eine Vollzeitanstellung, sondern war meist zwischen 20 und 30 Stunden angestellt. Nebenbei hatte ich immer wieder überschaubare, externe Projektaufträge, die ich auf selbstständiger Basis durchgeführt habe. Die Aufträge häuften sich, bald musste ich – v.a. bei größeren Anfragen – Absagen erteilen. Als ich 2017 eine für ein Jahr befristete Karenzvertretung hatte, dachte ich mir: Warum soll ich es danach nicht mal versuchen, ganz als Selbstständige zu arbeiten? So begann ich mein bestehendes Netzwerk zu informieren, dass sie mich gerne bei ihren Projektplanungen mitdenken dürfen. Und ich nahm am Gründer*innenprogramm u:start der Universität Wien teil, das sehr wertvoll für mich war.

Sie haben Psychologie studiert und waren auch am Fachbereich Psychologie der Universität Wien tätig. Inwiefern hat ihr Studium beim Weg in die Selbstständigkeit eine Rolle gespielt?
Finsterwald: Als Psycholog*in kann man sich in sehr vielen verschiedenen Bereichen nützlich machen. Der "klassische" Weg sieht vor, sich nach dem Studium als Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin niederzulassen oder als Arbeits- und Organisationspsychologin zu arbeiten. Ich hingegen habe lange an der Universität Wien im Arbeitsbereich Bildungspsychologie und Evaluation gearbeitet. Ich war dort einerseits mit vielen Anwendungs- und Implementierungsprojekten beschäftigt, andererseits war es auch meine Aufgabe, maßgeschneiderte Evaluationen durchzuführen bzw. Seminare für Studierende zu halten, die das Thema Evaluation und empirische Methoden umfassten. So habe ich sehr viel Expertise erwerben können.
 



"Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende." - Demokrit

Was hat sich durch die Situation rund um Corona für Ihr Unternehmen verändert? Haben Sie aufgrund dessen neue Angebote entwickelt, um aktuell den Betrieb aufrecht zu erhalten?
Finsterwald: COVID-19 hatte keinen Einfluss auf mein Angebotsportfolio. Was sich allerdings geändert hat, ist die Durchführung: Es gibt natürlich kaum mehr Face-to-Face-Kontakte, mehr oder weniger findet alles digital statt. Das erleichtert manches, das meiste macht es jedoch mühsamer.

Auf die aktuelle Situation rund um COVID-19 bereitet kein Lehrbuch vor. Auf welche Tools aus Ihrem Studium an der Universität Wien bzw. auf welche Erfahrungen als Unternehmerin konnten Sie dennoch zurückgreifen?
Finsterwald: Vieles, was ich aus psychologischen Lehrbüchern kenne, spüre ich jetzt an der eigenen Haut bzw. kann es bei anderen beobachten (z.B. die wichtige Rolle von sozialer Eingebundenheit oder was es mit Menschen macht, wenn ihnen Stabilität genommen wird – v.a. Menschen, deren mentale Gesundheit nicht die Beste ist.) Ich biete schon sehr lange Fortbildungen zum Thema Motivationsförderung an – für Lehrende in unterschiedlichen Bildungseinrichtungen, aber auch für Personen, die im Sozialbereich arbeiten. Ein Thema ist in diesem Kontext immer, wie Resilienz bei Menschen gefördert werden kann, ein anderes, dass ich nur für andere gut sorgen kann, wenn ich auch für mich selbst gut sorge. Auf Empfehlungen und Strategien aus der Resilienzforschung greife ich selbst immer wieder gerne zurück. Aber auch meine Expertise im Umgang mit Statistiken, Evidenzen sowie ganz allgemein mein Wissen darüber, wie Wissenschaft "tickt", hilft mir.

Es sind gerade keine einfachen Zeiten für junge Unternehmer*innen oder jene, die es werden wollen. Haben Sie einen guten Rat parat?
Finsterwald: Seien Sie – so gut wie möglich – unbeirrbar: Geben Sie Ihre Träume und Wünsche nicht auf. Verleugnen Sie aber auch nicht das Schwierige, die Hindernisse, die gerade da sind. Schauen Sie sich diese genau an und überlegen Sie (allein und mit anderen), welche Lösungen es geben könnte. Manchmal kann es sein, dass die Hindernisse zu groß und nur bedingt von Ihnen kontrollierbar sind. Planen Sie dann, was gute Bedingungen wären, Ihren Wunsch umzusetzen bzw. ihn in vielleicht leicht adaptierter Form umzusetzen. So können Sie motiviert losstarten, sobald sich die Gelegenheit ergibt.

Können Sie der jetzigen Situation evtl. auch etwas Positives abgewinnen, inwiefern eröffnen sich – z.B. hinsichtlich Digitalisierung von Arbeitsprozessen oder Services – auch neue Perspektiven?
Finsterwald: Ganz ehrlich, das ist sehr schwer: Ich hätte COVID-19 nicht gebraucht, um zu erkennen, dass unsere Gesellschaft, unsere Welt nicht gesund ist. Die Ungleichheiten, Benachteiligungen und Diskriminierungen, die wir in Österreich, Europa, auf der Welt haben, kommen jetzt massiv zum Vorschein und verstärken sich durch die Pandemie. Da ist es nur ein schwacher Trost zu sagen, dass es doch schön ist, dass wir jetzt besser mit Videokonferenztools und E-Learning Tools umgehen können.   

Inwiefern "bewirken" Sie mit Ihrem Tun etwas für die Gesellschaft?
Finsterwald: Ich wünsche mir, dass ich mit meinen Angeboten im Bildungsbereich dazu beitragen kann, dass Lernen mehr Freude macht bzw. dass Personen sich auch daran wagen, etwas an sich und ihrem Verhalten zu ändern. Zuversicht in sich selbst zu haben, ist wichtig für ein gesundes Leben. Mit meinen Angeboten im Bereich der Evaluation wünsche ich mir zu bewirken, dass Evaluation weniger bedrohlich und angsteinflößend gesehen wird, sondern als neugieriger Blick auf das, was wir tun. Für mich ist der Unterschied zwischen Evaluation und Lernen nur ein relativ kleiner.


Dieses Interview wurde 2021 bei "Mein Business" veröffentlicht. Das Interview führte die uni:view-Redaktion.