< Previous30Rat in den jeweiligen Spezialgebieten, wie z.B. Bankaufsichtsrecht oder Datenschutzrecht an-bieten. Zum anderen wird natürlich auch bei uns – wie wohl in jeder größeren Kanzlei – da-rüber nachgedacht, welche Auswirkungen die Blockchain-Technologie auf unser tägliches Geschäft hat.“, so Paefgen. Prof. Klas befürchtet, dass CHSH mit wenigen anderen internationalen Großkanzleien aktu-ell noch die Ausnahme bildet und viel zu wenig Anwälte sich mit der neuen Technologie ausei-nandersetzen. „Es gibt sehr viele Verfahrensab-läufe, die nach Schema F ablaufen. Dinge wie Firmengründungen, Mietverträge oder der Verkauf von Gebrauchtwagen können ersetzt werden. Anwälten ist zu raten, sich frühzeitig umzustellen und sich bei der Entwicklung zu beteiligen. Sonst werden viele feststellen, dass ihnen das Geschäft wegbricht, weil Dinge automa-tisiert gelöst werden kön-nen.“ Bereits jetzt bringt die Platt-form „The Agreement Network“ Ju-ristInnen mit technischen EntwicklerInnen und KundInnen zusammen, um Standardverträge digital aufzu-setzen. Wie kann Blockchain die Bundesverwaltung einfa-cher und transparenter machen?Dass Blockchain bereits heute in vielen Berei-chen unseres Alltagslebens Anwendung findet, zeigt Matthias Lichtenthaler. Der Bereichslei-ter „Digital Transformation“ im Bundesrechen-zentrum (BRZ) entwickelt mit seinem Team Anwendungen für die österreichische Bundes-verwaltung, auf Basis von Blockchain-Tech-nologie. „Wir haben bereits die elektronische Zustellung in der Bundesverwaltung – abgesi-chert in der Blockchain – als Pilotprojekt um-gesetzt. Hier soll die Fälschungssicherheit und Transparenz der Blockchain-Technologie ge-nutzt werden, um den Eingang elektronischer Dokumente nachvollziehbar und unveränder-bar zu erfassen – eine elektronische Sendungs-nachverfolgung also, durch die Behördenwege sicher und einfach digitalisiert werden kön-nen.“ Auch die BürgerInnenbeteiligungsplatt-form demo.edemokratie.at ist bereits in der Blockchain fälschungssicher und anonymisiert im Einsatz. Dabei arbeitet das BRZ eng mit ExpertInnen verschiedener Universitäten in Österreich zusammen. Gemeinsam mit dem neuen For-schungsinstitut für Kryptowährungen der WU Wien arbeitet Lichtenthaler sehr aktiv an konkreten Projekten. „Über die Grundlagen-forschung sind wir also bereits deutlich hin-weg.“ so der Digitalexperte. Eine der größten Herausforderungen sei zurzeit die fehlenden gesetzlichen Grundlagen, da z.B. die Block-chain-Technologie als fälschungssichere Nach-weismethode noch nicht legistisch verankert ist. Christian Piska, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, unterstützt das BRZ bei diesen rechtli-chen Problemstellungen. „In einigen Vorhaben lassen wir uns aber von fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht aufhalten, sondern Blockchain in der LogistikMüssen Produkte über verschiedene Transportwege von A nach B geliefert werden, sind alle Player an einer nach-vollziehbaren Dokumentation interes-siert. Denn verschwindet ein Paket oder ein ganzer Container, muss einer der Teilnehmer für den Verlust aufkommen. Welche Versicherung bzw. welcher Teil-nehmer zahlen muss, ließe sich in einer Blockchain ganz einfach und transpa-rent auslesen. Ist das Schloss geknackt, verkettet sich der Block mit dem vorangegangenen Block, die Daten sind in der Blockchain unveränderbar gespeichert. 31weisen in einer technischen Validierung nach, dass die Blockchains den Prozess faktisch ver-bessern und sichern – dann ist die Legislative an der Reihe, an einer Umsetzung im Gesetzes-text zu arbeiten.“, erklärt Lichtenthaler die in-novationsgetriebene Arbeit des BRZ.Wie werde ich Blockchain-ExpertIn?Es braucht kein drittes Stück Torte, um zu merken, dass der Bedarf an InformatikerIn-nen schon jetzt die AbsolventInnenzahl bei weitem übersteigt, ein Problem, das sich in den kommenden Jahren noch drastisch ver-schärfen wird. Aktuell gibt es 360 Plätze pro Semester im Informatik-Bachelor an der Uni Wien, an der TU sind es 581 Plätze. Prof. Klas bringt es auf den Punkt: „Fakt ist, wir brauchen zigtausend InformatikerInnen mehr und wir müssen uns eingestehen, dass wir diese Ent-wicklung in der Bildungspolitik verschlafen haben. Man muss dringend Kapazitäten erhö-hen.“ Auch die TU, die Universitäten und FHs in den Bundesländern sowie die WU bilden bei weitem nicht genügend SpezialistInnen aus, auch wenn letztere erst vor kurzem das Institut für Kryptoökonomie gegründet hat. Aus Man-gel an InformatikerInnen, suchen Unterneh-men wie das Bundesrechenzentrum nicht nur WirtschaftsinformatikerInnen, sondern digital affine AbsolventInnen, die bereit sind, sich „le-arning-by-doing“ in die Blockchain-Thematik einzuarbeiten. Auch viele DigitalberaterInnen bei EY wie Ali Aram haben auf akademischer Seite „nur“ einen Wirtschaftsbackground und haben den IT-Teil, das Fachwissen, über die Arbeit aufgenommen. Gesucht werden hier of-fene, neugierige und wissbegierige Absolven-tInnen, die Trends erkennen, Verbindungen herstellen und sich für Digitalthemen begeis-tern können. Dr. Franziska Paefgen von CHSH wird da schon konkreter: „Für uns als Kanzlei ist das abge-schlossene Jus-Studium immer Grundvoraus-setzung. Wer darüber hinaus ein Informatik-studium abgeschlossen hat, hat natürlich einen Vorteil, dies ist aber kein Muss.“ Auch Matthias Lichtenthaler vom BRZ bevorzugt „junge und motivierte Leute, die solche Technologien wie die Blockchain in der Tiefe und nicht nur an der Oberfläche verstehen.“ Und Aram von EY ergänzt: „Aber natürlich brauchen wir für un-sere Spezialgebiete auch SpezialistInnen wie Data Scientists und IT-ExpertInnen.“Wenn du diesen Artikel bis zu Ende gelesen hast, zeigst du schon einmal Grundinteresse an der Thematik, vielleicht überdenkst du die Wahl deines Masterstudiums noch einmal. Ne-ben dem Allgemeinen Informatikmaster, bei dem ein Bachelorabschluss in Informatik na-türlich vorausgesetzt wird, gibt es an der Uni Wien auch noch die Master „Medieninforma-tik“, „Wirtschaftsinformatik“, „Medizinische In-formatik“ und „Bioinformatik“. Die „Bioinfor-matik“ ist ein super Beispiel dafür, dass ein Informatikstudium nicht in jedem IT-Master Grundvoraussetzung ist. Für dieses Programm kannst du dich zum Beispiel auch mit einem Bachelor in Ernährungswissenschaften, Mete-orologie oder Physik bewerben. Wer noch zwei-felt, sollte eine Vorlesung von Prof. Klas besu-chen – wenn sie nur halb so spannend und verständlich ist wie mein Gespräch, kann ich sie nur jedem/jeder ans Herz legen. Blockchain in der EnergiewirtschaftIm Energiehandel gibt es sehr viele Player, die – ähnlich einer Börse – Energiepreise verhandeln. Ein Kreis von Partnern könnte sich nun in einer Blockchain vernetzen, um den Energiehandel kostengünstiger, transparenter und nachvoll-ziehbarer zu gestalten. In Österreich hat unter anderem die Wien Energie erste Blockchain in-itiierte Projekte bereits umgesetzt. Aber auch Stromzähler – sogenannte „Smart Meters“ – und Anbieter könnten mit Blockchain-Technologie verknüpft werden, so dass der Strom genauer und transparenter abgerechnet werden kann. Wer das Rätsel gelöst hat, erhält „Token“ wie zum Beispiel Bitcoin. • Start-up Porträt32Virtual Reality als Weg aus der Phobie Das Wiener Therapiezentrum „Phobius“ stellt virtuell Angst-situationen seiner PatientInnen nach und heilt Phobien von der Höhenangst bis zur Panik vor Spinnen. Woher kam die Idee, Angststörungen mit Virtual Reality zu behandeln?Christian Dingemann: Im Studium kam ich bei ei-ner Studie über Vortragsangst zum ersten Mal mit einer Virtual-Reality-Brille in Kontakt. Natürlich waren Technik und Grafik noch schwach, aber das Gefühl, sich in einem virtuellen Raum zu be-finden, war atemberaubend. Einige Jahre später kam Johannes, der damals mein Arbeitskollege war, auf mich mit der Idee zu, eine Praxis für die Behandlung von Angststörungen mit VR zu grün-den. Schnell war klar, welches Potenzial die VR für die moderne Angstbehandlung bietet. Welche Bedeutung hat VR im klinischen Forschungsfeld?CD: Virtuelle Realität ist in diesem Bereich seit Jahren auf dem Vormarsch und findet mittlerwei-le vereinzelt im angloamerikanischen Raum Ein-gang in die Praxis. Wir wollten ein spezialisiertes Therapiezentrum für Angststörungen gründen, das bewährte Behandlungsmethoden mit Innova-tionstechnologie zusammenführt, denn wer sich an der wissenschaftlichen Evidenzlage orientiert, kommt an virtueller Realität nicht vorbei.Wie kann man sich VR-Sitzungen vorstellen?Johannes Lanzinger: Prinzipiell erfolgt die er-folgreiche Angstbehandlung in drei Schritten. Im ersten Schritt soll der Patient verstehen, wie Angst funktioniert und warum sie so hartnäckig ist. Nicht nur Angstgefühle, sondern auch körper-liche Symptome einer Angstreaktion sind unange-nehm und veranlassen Phobiker, entsprechende Situationen zu meiden. Deshalb ist Schritt zwei, körperliche und gedankliche Beruhigungstechni-ken zu erlernen. Das hilft, um in Angstsituationen gut vorbereitet zu sein und die Angst kontrollier-bar zu machen. Erst im dritten Schritt stellt man sich der Angst, wobei wir sehr behutsam vorge-hen. Wir beginnen mit Bildern oder Videos, erst später greifen wir zur Virtual Reality, da sie ex-trem realistisch wirkt.Welche Phobien können leichter, welche schwieri-ger therapiert werden?CD: Spezifische Phobien sind leichter zu behan-deln, da die Problematik eng umrissen ist und die Konfrontationstherapie gut wirkt. Dafür braucht es acht bis zehn Sitzungen. Bei Agora- (Anm. Platzangst) und Sozialphobie besteht oft ein aus-geprägtes Vermeidungsverhalten, weshalb es Gründer Christian Dingemann (links), Studium der Psychologie an der Universität WienJohannes Lanzinger (rechts), Studium der Psychologie an der Universität InnsbruckGründungsjahr 2017von Niko NikolussiPhobius ist das erste Therapiezentrum im deutsch-sprachigen Raum, das sich auf die Behandlung von Angststörungen mit virtueller Realität spezialisiert hat. Eine Einheit kostet regulär 120 Euro, klassische Phobi-en können in acht bis zehn Sitzungen geheilt werden. Mehr unter phobius.at © 2018 DeloitteMit 1.350 Mitarbeitern an zehn Standorten in Österreich betreuen wir Kunden in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Consulting, Financial Advisory und Risk Advisory. Deloitte Legal und Deloitte Digital vervollständigen das umfangreiche Serviceangebot.Wir suchen Studenten/innen und Absolventen/innen der Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften, Wirtschaftsinformatik, Informatik und Mathematik, die • ihre berufliche Karriere bei einem innovativen und internationalen Arbeitgeber starten oder • als Praktikant/in erste Einblicke gewinnen und • ihr theoretisches Wissen aus dem Studium in der Praxis einsetzen wollen.Unsere aktuell ausgeschriebenen Jobs und Praktikumsprogramme – nur einen Klick entfernt: jobs.deloitte.at Wir freuen uns auf deine OnlineBewerbung!Every story has a beginningWhat impact will you make?www.deloitte.at/karriereDas Ranking Institut UBI Global reiht INiTS als besten deutschsprachigen universitären Inkubator in seiner Kategorie. Und das nicht ohne Grund. Ein 100-Tage dauerndes High End Workshop- und Trainingsprogramm, Top Beratung von erfahrenen Coaches und Mentoren, gratis Büroinfrastruktur, ein riesiges Netzwerk an Corporates und Partnern und nicht zuletzt € 100.000 Startkapital machen aus INiTS Startups erfolgreiche Unternehmen.Weitere Informationen auf www.inits.at/startup-camp sowie auf www.facebook.com/initsviennaBewirb Dich jetzt für das INiTS Startup Camp!INiTS powered byTEIL VONACADEMIA PLUS BUSINESSAplusBfür Deine Idee.Extra Power34schwieriger sein kann, Patienten an Konfrontatio-nen heranzuführen. Je nach Schweregrad braucht es dann acht bis 15 Sitzungen.Jede Therapie setzt immer die Behandlungsmoti-vation der Patienten voraus. Wir versuchen, den Patienten an sein Behandlungsziel zu begleiten, damit er die Angst beherrscht – und nicht um-gekehrt. Insgesamt lassen sich Angststörungen mit evidenzbasierter Therapieplanung recht gut behandeln. Die Wissenschaft spricht von Erfolgs-quoten um 85 Prozent, das können wir bestätigen. Welche Vorteile hat die VR-Therapie im Gegensatz zur klassischen Therapie?JL: Die Situation ist jederzeit, ohne großen logis-tischen Aufwand, erlebbar und vor allem absolut kontrollierbar. Das hilft beim Herantasten an die Angst. Obwohl wir Menschen wissen, dass Ängste meist unbegründet sind, reicht das Wissen nicht aus, um sie zu besiegen. Erst wenn Gehirn und Körper erleben, dass die Situation ungefährlich ist, kann die Angst besiegt werden. Das funktio-niert virtuell gleich gut wie in der echten Welt.Mit welchen Herausforderungen wurdet ihr bei der Gründung von Phobius konfrontiert?JL: Im deutschsprachigen Raum gab es kein ver-gleichbares Vorhaben, deshalb mussten wir uns international umschauen. Dieses Wissen plus jah-relange VR-Forschung hat es uns erst ermöglicht, das Konzept von Phobius aufzustellen. Außerdem mussten wir eine gute Software für die Behand-lung finden, da der Markt momentan noch sehr überschaubar ist und es viel Eigeninitiative be-darf, ein gutes Portfolio zusammenzustellen. Was habt ihr im Studium gelernt, das euch als Unternehmer weiterhilft? CD: Ich habe früh gelernt, dass die Universität dir viel Eigenverantwortung und Disziplin abver-langt. Obwohl die Uni diesen edukativen Ansatz nicht als wichtigsten Teil der Ausbildung sieht, hat er mir am meisten gebracht.JL: Wissenschaftlich zu denken und Sinnvolles von weniger Sinnvollem zu unterscheiden – ge-rade in der Psychologie ist das wichtig. Das hilft ungemein, einerseits im fachlichen, andererseits im geschäftlichen Kontext.Gibt es Mentoren, die euch unterstützt haben?CD: Ich habe lange als wissenschaftlicher Mitar-beiter unter Frau Prof. Ahnert in der Entwick-lungspsychologie gearbeitet. Sie hat uns in der Gründungsphase sehr unterstützt. In einer in-ternational angelegten Studie durfte ich meinen Mentor, Prof. Harald Euler, kennenlernen. Heute kann ich immer noch von seinem breiten Wissen profitieren, immerhin ist er auch unser wissen-schaftlicher Unternehmensbeirat.Und vor was habt ihr eigentlich Angst?CD: Phobien habe ich glücklicherweise keine, höchstens Angst, dass Donald Trump wiederge-wählt wird (lacht).JL: Ich hatte früher etwas Flugangst, besonders bei turbulenten Flügen war das unangenehm. Das hat sich durch meine intensive Auseinanderset-zung mit der Angstthematik vollständig gelegt. Du willst ein Unternehmen gründen oder dich selbstständig machen und hast bereits eine vage Idee? u:start – das Gründerprogramm für AbsolventInnen und Studierende – unterstützt dich dabei, die persön-liche Geschäftsidee zum qualitäts-vollen Businessplan zu entwickeln. Mehr Infos zu Talks, Workshops und Beratung auf: ustart.atDas Ranking Institut UBI Global reiht INiTS als besten deutschsprachigen universitären Inkubator in seiner Kategorie. Und das nicht ohne Grund. Ein 100-Tage dauerndes High End Workshop- und Trainingsprogramm, Top Beratung von erfahrenen Coaches und Mentoren, gratis Büroinfrastruktur, ein riesiges Netzwerk an Corporates und Partnern und nicht zuletzt € 100.000 Startkapital machen aus INiTS Startups erfolgreiche Unternehmen.Weitere Informationen auf www.inits.at/startup-camp sowie auf www.facebook.com/initsviennaBewirb Dich jetzt für das INiTS Startup Camp!INiTS powered byTEIL VONACADEMIA PLUS BUSINESSAplusBfür Deine Idee.Extra Power• GenerationenwechselText von Miriam KummerFotos von Alexander Gotter37Wenn man sich immer wieder neu erfindet, ist Loslassen nicht schwierigDer Eingang des Berndorfer Headquarters ist mit Planen verhangen, die Böden sind abgeklebt, Alfred Krupps Büste im hauseigenen Museum in Folie gewickelt. Zu schade, wenn dem Großindus-triellen, der vor 175 Jahren im Niederösterreichi-schen Berndorf die Metallwarenfabrik eröffnete, Farbe auf den Kopf tropft. Berndorf wird mal wie-der saniert. Die Wände bekommen einen neuen Anstrich – als wolle man sich für die neue Chefin herausputzen. Hinter den Fassaden bröckelt im Jahr 2018 aber nichts mehr. Die Berndorf Gruppe rechnet 2018 mit einem Umsatz von mehr als 700 Mio. Euro.Mitte der 80er Jahre sah das ganz anders aus. Das staatliche Unternehmen zur Herstellung von Be-steck schrieb rote Zahlen, der Vorarlberger Mana-ger Norbert Zimmermann wurde als Sanierer in den Vorstand geholt, zwei Jahre später übernahm er im Zuge eines Management Buy Outs gemein-sam mit dem damaligen Topmanagement 76 Pro-zent der Aktien der neu gegründeten Berndorf AG, mit 24 Prozent beteiligten sich die MitarbeiterIn-nen. Ein guter Deal, denn Norbert Zimmermann machte in wenigen Jahren aus dem angeschla-genen Unternehmen einen Konzern mit über 60 Unternehmen und über 3.500 MitarbeiterInnen in mehr als 20 Ländern. Immer wieder entdeck-te er Nischen und etablierte sich dort als Welt-marktführer. So produziert Berndorf heute unter anderem Edelstahlbecken für Schwimmbäder, Stahlbänder, Pressbleche, Werkzeuge, Produkti-onsanlagen oder Systeme zur Wärmebehandlung für die Industrie. Dank Joint Ventures mit IT- und Technik-Start-ups soll die Berndorf AG auch in Zu-kunft ganz vorne mitspielen. Vor rund zehn Jahren ist Norbert Zimmermann vom Vorstand in den Aufsichtsrat gewechselt, genau zu jener Zeit, als seine Tochter ins Unter-nehmen einstieg. Nun sitzen die beiden im Mee-tingraum und erzählen von den Herausforderun-gen der Übergabe. Die Stimmung ist gut, man bekommt schnell das Gefühl, die Zusammenar-beit funktioniert, sie respektieren und schätzen die Leistung und die Meinung des anderen, auch wenn sie ganz verschiedene Typen sind: „Sonja ist ein Mensch, der nicht mit Eitelkeit gequält ist, Im Juni 2020 übernimmt Sonja Zimmermann (45) den Aufsichtsratsvorsitz der Berndorf AG, ihr Vater Norbert Zimmermann (71) wird sich aus dem Un-ternehmen zurückziehen. Warum sie sich für das Fa - milienunternehmen entschieden hat und auch die alte Generation neue Aufgaben braucht, erzählen Va-ter und Tochter im Interview. • Generationenwechsel38sie ist sehr geerdet und sehr demütig an die Sa-che herangegangen“, so Norbert Zimmermann, aus dessen Augen noch immer der Hunger blitzt. Wenn er von seinen nächsten Projekten spricht, wundert man sich, dass er das Tennisspielen be-reits aufgegeben hat: „Ich halte Routine nicht aus. Ich habe versucht, mich mein Leben lang in Epo-chen immer wieder neu zu erfinden. Wenn man das permanente Erneuern zum Lebensprinzip macht, dann fällt es auch nicht schwer loszulas-sen. Egal was ich im Alter aufgeben musste, ich habe immer etwas Neues begonnen.“ Mit seiner Erfahrung und Energie wird er auch außerhalb der Berndorf Gruppe weiterhin unternehmerisch tätig sein.Wie wichtig neue Ziele, Aufgaben und Herausfor-derungen gerade dann sind, wenn man jenes Un-ternehmen verlassen muss, das man selbst auf-gebaut hat, hat Norbert Zimmermann auf einer Lesereise vor rund 30 Jahren gesehen: „Wir sind mit unserem Buch ‚Zukunftssicherung für Fami-lienunternehmen‘ durchs Land getingelt und ha-ben unsere Weisheiten bei großen Veranstaltun-gen vor Familienunternehmen verbreitet. Es gab immer sehr ähnliche Muster, wenn Familien an der Firmenübernahme zerbrochen sind: Der Alte, der nicht loslässt – oder nur scheinbar loslässt – und die Jungen, die nicht phantasievoll genug sind, um dem Alten eine Spielwiese zu organisie-ren und ihm keinen Sauerstoff mehr lassen. Der Alte lebt ja weiter, der hat weiter Energie. Die Fra-ge ist immer, wie geschickt kanalisiert man diese Energie, so dass er die Jungen nicht beim Arbei-ten stört.“ Norbert Zimmermann hat sich damals geschworen: Das wird ihm nicht passieren. „Ob-wohl es emotional natürlich ganz schwierig ist, sein Baby loszulassen.“ • Generationenwechsel39Und manchmal muss dann auch von außen nach-geholfen werden. Sonja Zimmermanns Bedin-gung für die Übernahme des Aufsichtsratsvorsit-zes: Der Vater muss den Aufsichtsrat verlassen. „Mein Vater ist eine sehr starke Persönlichkeit, er hat das hier schließlich aufgebaut.“ Sonja Zim-mermann wirkt vorsichtiger, überlegter als ihr charismatischer Vater, zugleich aber auch ent-schlossen und geradeheraus. Eine Zwischenlö-sung mit ihrem Vater als normales Aufsichtsrats-mitglied kam für sie nie in Frage. Man bekommt das Gefühl, als könne sie nur dann wirklich von der Tochter zur Unternehmenschefin werden, wenn der Vater nicht mehr anwesend ist. „Ich habe unglaublich viel von ihm gelernt. Ma-nagement-Stil oder den Umgang mit Mitarbeitern und wie Führung funktioniert. Aber auch: Wie beurteile ich Situationen, wie Strategien und wie fälle ich Entscheidungen? Ich durfte oft bei heik-len Gesprächen anwesend sein und habe mir da-bei sehr viel abgeschaut“, so Zimmermann. Nach ihrem Sprachstudium an der Universität Wien mit Fächeraustausch BWL arbeitete sie vier Jahre lang als „Etat Director“ einer Wiener Werbeagentur. Der Job machte ihr viel Spaß. In dieser Zeit fragte ihr Vater, ob sie sich vorstellen könne, ins Unter-nehmen einzusteigen. „Seit ich 15 Jahre alt bin, ist Berndorf in einer sehr positiven Art in unserer Fa-milie präsent und so habe ich schon früh eine Be-ziehung zum Unternehmen aufgebaut.“ In ihrem ersten Ferialjob putzte Sonja Zimmermann Silber im Besteckgeschäft in der Wollzeile und auch während des Studiums hat sie als Werksstudentin in Berndorf kleinere Projekte umsetzen können. „Ich wurde alters- und interessengerecht immer wieder miteinbezogen, durfte meinen Vater zum Beispiel auf Geschäftsreisen begleiten.“ Als ihre Mutter, Inhaberin eines Juweliergeschäfts, in Pension ging, machte sie sich erstmalig Gedanken über Interesse und Nachfolge und kam schnell zu dem Schluss: „Die Industrie interessiert mich mehr als das Juweliergeschäft.“Und irgendwie kann man sich Sonja Zimmerman trotz ihres eleganten Kostüms eher in der Produk-Next >